Erkundung des Wurzelwerks von Stadtbäumen
von Roger Arzt, Dezember 2013
Straßen, Häuser oder andere bauliche Anlagen beeinflussen Bäume und die Entwicklung ihrer Wurzeln. Der Verlust der Vitalität und die Verminderung der Verkehrssicherheit des Baumes oder auch die Schädigung der baulichen Anlagen können die Folgen sein. Schäden können sich im Verborgenen ausdehnen. Konflikte mit Gesetzen oder anderen Interessen sind absehbar. Eine Klärung, Darlegung und Bewertung dieser Konflikte ist beispielsweise im Vorfeld geplanter Baumaßnahmen, zur Schadenbewertung oder zur Beurteilung der Standsicherheit notwendig. Die Kenntnis der Lage und Ausprägung der Wurzeln innerhalb des Wurzelraumes ist in diesem Zusammenhang entscheidend.
Schlüsselwörter: Wurzelmorphologie, Potenzieller Wurzelraum, Äußere und innere Standortfaktoren, Bauliche Anlage, Horizonte, Kompartimente, Durchwurzelbarkeit
In diesem Artikel werden Kriterien vorgestellt, die bei der Erkundung des Wurzelwerks von Bäumen beachtet werden sollten. Die systematische Anwendung der Kriterien ermöglicht die Entwicklung eines Modells der Wurzelverteilung der Bäume an einem bestimmten Standort. Dieses kann durch Messungen, Sondierungen oder Schürfen geprüft werden und erlaubt signifikante, einordnungsfähige und übertragbare Erkenntnisse. Betrachtet werden die Bedingungen für die Entwicklung von Wurzeln. Sind Hindernisse oder Begünstigungen im Hinblick auf das Wurzelwachstum feststellbar? Welchen Einfluss haben die Baumart, Schäden und das Alter? Wo gibt es genügend oder zu wenig Wasser, Nährelemente und Luft? Sind innerhalb des Wurzelraumes Bereiche mit unterschiedlichen Eigenschaften vorhanden? Zur Beantwortung dieser und weiterer Fragen sollten die (Baum)Biologie, die standörtlichen Kennwerte und die Art und Ausprägung der baulichen Anlagen untersucht werden.
Die Wurzelmorphologie, also die Gestalt- und Formbildung von Wurzeln wird durch eine Vielzahl von Faktoren bestimmt. Einerseits legt die genetische Anlage den Wurzeltyp fest. Im Verlauf der Entwicklung mag der Typ variieren (KÖSTLER, BRÜCKNER & BIEBELRIETHER 1968, KUTSCHERA & LICHTENEGGER 2002). Andererseits bestimmen die Eigenschaften des Standortes die Lage und Ausprägung der Wurzeln. So wurde nachgewiesen, dass die Wuchsrichtung von Wurzeln von Feuchte-, Dichte-, Sauerstoff- oder Schweregradienten abhängig ist (RAVEN EVERT & EICHHORN 2000, STÜTZEL & BOSSELER 2003). Böden an urbanen Standorten sind zudem vielfach anthropogen beeinflusst. So können beispielsweise durch Bautätigkeit, Eingriff in den Grundwasserhaushalt, Veränderung der Flora oder Bodendeckschicht die Bodengenese, die Bodenstruktur und damit auch die ökologischen Kennwerte verändert werden. Im städtischen Bereich bestehen daher oft stark differenzierte oder gestörte Bodenprofile (ARZT 2010, 2013-04). Die Durchwurzelbarkeit des Bodens wird dadurch beeinflusst. Dies hat Auswirkungen auf das Wachstum der Wurzeln, wobei die Abwandlung durch Umwelteinflüsse nur innerhalb der Wandelbarkeit des genetischen Bauplanes möglich ist.
Die Wurzelmorphologie wird von der Durchwurzelbarkeit des Wurzelraums beeinflusst
Das Kriterium „Durchwurzelbarkeit" fungiert als ein Summenparameter. Es erlaubt die Berücksichtigung einer hohen Anzahl von Einflüssen in zusammenfassender Würdigung (ARZT 2013-06). Die Durchwurzelbarkeit kann durch folgende Faktoren beeinflusst sein (RENGER 1995, ARZT 2010):
* Kompartimente mit sehr geringer bis geringer Feldkapazität, Luftkapazität, Austauschkapazität
* Festes Gestein, hoher Skelettanteil (z. B. Kies, Steine, Schutttrümmer)
* Verfestigte Bänke oder Kompartimente (z. B. Ortstein, Verockerung, Grabensohle, Aufbaumaterial)
* Reduktionshorizonte oder -kompartimente (z. B. Gley, Erdgas)
* Kompartimente mit abruptem Wechsel der chemischen oder physikalischen Eigenschaften (z. B. pH- Sprung, plötzliches Auftreten oder Fehlen von Kalk, starker Dichtegradient)
* Ungünstige Gefügeeigenschaften (z. B. Platten- oder Prismengefüge)
* Verdichtung (z. B. durch Befahren)
* Staunässe
* Einfluss von baulichen Anlagen (z. B. Mauern, Fundamente, Schacht-, Rohr- und Kabelanlagen, Verkehrswege)
* Wärmeeinflüsse (z. B. Starkstromkabel, Fernwärme)
* Zu- oder Abflüsse von Niederschlägen oder Beregnungen
* Versiegelung
* Stoffeintrag (z. B. Streusalz, Herbizide)
* Influente oder Effluente Verhältnisse (z. B. Hanglage, Gräben)
* Freilegung, Materialverlust (z. B. Baustellen, Bodenkriechen)
Die Durchwurzelbarkeit wird konventionell horizontweise bewertet. Als Horizonte werden nahezu horizontal verlaufende Zonen unterschieden, die sich durch Merkmale z. B. aufgrund von Entwicklungszuständen differenzieren (AG BODENKUNDE 2005). So könnte beispielsweise in einen Oberboden und einen Unterboden unterschieden werden. Diese Differenzierung kann am urbanen Standort erweitert werden durch die Berücksichtigung von Unterschieden in vertikaler Abfolge. In diesem Sinne werden neben den horizontal wirkenden Einschränkungen außerdem vertikal wirkende Merkmale berücksichtigt; der Bodenraum wird in Kompartimente unterschieden. Dies ist der Tatsache geschuldet, dass beispielsweise aus der anthropogenen Beeinflussung urbaner Böden kleinräumige Variabilitäten resultieren, die auch vertikal wirkende Merkmalsunterschiede verursachen. Ein Straßenkörper unterscheidet sich gewiss vom angrenzenden Pflanzstreifen hinsichtlich seiner Kennwerte. Auch unterschiedliche Bodentypen oder Teile baulicher Anlagen können als Kompartimente aufgefasst werden.
Als Kompartiment wird hier eine „strukturelle Wirkeinheit mit bestimmten physikalischen, chemischen oder sonstigen Eigenschaften und Kennwerten" definiert. Die Abbildung Nr. 1 veranschaulicht die mögliche Kompartimentierung eines Standortes.
Abbildung 1: Mögliche Kompartimentierung eines Standortes (hier: bezüglich des Kriteriums „Durchwurzelbarkeit", Arzt 2010).
Alles, was sich im Wurzelraum befindet, wird innerhalb der Geländeaufnahme hinsichtlich der Durchwurzelbarkeit bewertet. Auf diese Weise kann der Wurzelraum unterteilt werden. Es wird zwischen „sehr hoher" (keine Einschränkung), „hoher" (geringe Einschränkungen), „mäßiger" (Einschränkungen), „geringer" (stärkere Einschränkungen) und „sehr geringer" (vielfache und sehr starke Einschränkungen) Durchwurzelbarkeit unterschieden.
Die Grundfrage zur Entwicklung eines Modells der Wurzelverteilung lautet: Wie stark und in welcher Weise beeinflussen die einzelnen Kompartimente die Durchwurzelbarkeit?
Die Bewertung der Durchwurzelbarkeit dient zur Unterscheidung von Kompartimenten im Wurzelraum. Es wird nach dem Grad potenzieller Wurzelbildung unterschieden. Diese Verfahrensweise stützt sich auf die Beurteilung der Art und der Ausprägung von Faktoren, die die Durchwurzelbarkeit beeinflussen. Die Faktoren lassen sich unter Hauptfaktoren subsumieren. Es sind dies die inneren und die äußeren Faktoren des Standortes, sowie die Faktoren der baulichen Anlagen. Sie beeinflussen den potenziellen Wurzelraum eines Baumes. Es wird gewissermaßen ein Vergleich zwischen dem Potenzial zur Ausbildung von Wurzeln und den Bedingungen des Standortes unter besonderer Berücksichtigung der Wirkung vorhandener baulicher Anlagen vorgenommen. Damit wird eine erste Einschätzung der Lage von Wurzeln ermöglicht. Diese Einschätzung wird im Feld überprüft, indem durch gezielte Freilegung Teile des Wurzelwerks in Augenschein genommen, untersucht und bewertet werden. Die gezielte Auswahl der Lage der Schürfe wird dabei durch die erste Einschätzung ermöglicht. Auf diese Weise kann ein Modell der Wurzelverteilung der Bäume eines bestimmten Standortes erstellt werden.
Die Grafik erläutert das Wirkgefüge möglicher Faktoren und Subfaktoren, die die Wurzelmorphologie beeinflussen und somit die Entwicklung eines Modells der Wurzelverteilung von Bäumen eines bestimmten Standortes ermöglichen (s. Abbildung 2, Auswahl).
Abbildung 2: Wirkgefüge möglicher Faktoren und Subfaktoren, die die Wurzelmorphologie beeinflussen. Schritte zur Entwicklung des Modells der Wurzelverteilung der Bäume eines bestimmten Standortes (Arzt 2010, verändert).
Die Hauptfaktoren untergliedern sich in Subfaktoren (Auswahl):
Der potenzielle Wurzelraum ist der Bodenraum, den die Wurzeln einnehmen würden, wenn keine Einschränkungen bestünden (beispielsweise im Lockersediment bei guter Wasser-, Luft- und Nährelementversorgung). Er ist erblich festgelegt. Je nach Baumart können hier unterschiedliche Wurzeltypen ausgebildet werden, die entsprechenden Raum einnehmen (z. B je nach Art der Verzweigung der Seitenwurzeln, Neigung zur Bildung von Sprosswurzeln, Ausbildungsgrad einer Polwurzel, unterschieden. Oder: Pfahl-, Herz- oder Senkerwurzeltyp). Auch die Entwicklungsphase des Baumes, bestimmte Schadbilder oder die Toleranz der Baumart gegenüber Staunässe beeinflusst die Form des potenziellen Wurzelraums.
Bauliche Anlagen können unterschiedlich stark durchwurzelbar sein. Sind Komponenten in bindiger Matrix verbaut, wie beispielsweise bei einem Ziegelsteinmauerwerk oder auch bei einem Asphaltbelag, sind starke Einschränkungen anzunehmen. Ist die Matrix nicht oder schwach bindig, wie dies bei Gehwegbelägen mit wasserdurchlässigem Aufbau oder hydraulisch gebunden Deckenbelägen der Fall ist, so kann der Aufbau dieser Beläge mit Einschränkungen, manchmal auch besser durchwurzelbar sein. Auch die Versorgungssysteme der Medien können die Durchwurzelbarkeit in unterschiedlichem Ausprägungsgrad beeinflussen, mitunter sogar fördern. Grenzflächen (REICHWEIN 2009), aber auch Rohrgräben können Wurzelwachstum begünstigen (STRECKENBACH 2009).
Äußere Faktoren des Standortes sind Einflüsse, die von außen auf den Baum wirken. Im Hinblick auf die Prognose der Wurzelverteilung sind solche Faktoren interessant, die unterschiedliches Wurzelwachstum hervorrufen können. In diesem Sinne wäre die Betrachtung des Faktors „Temperatur" nicht nützlich. Im Allgemeinen gibt es keine so wesentlichen Temperaturunterschiede im Wurzelbereich eines Baumes, dass die Entwicklung der Wurzeln davon unterschiedlich beeinflusst würde. Wechselnde Reliefs, Bodenoberflächen oder Arten der Unterpflanzung können jedoch durchaus Wachstumsunterschiede bewirken. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang die Möglichkeit des Wasser- und Luftzutritts zu den Wurzeln. Wo im Wurzelbereich Können Niederschläge oberflächlich ablaufen oder sich sammeln und versickern? Kann Luftsauerstoff diffundieren? Welchen Einfluss hat die Verdunstung? Ist aufgrund eines Hangstandortes oder eines Neigungswuchses mit unterschiedlich stark entwickelten Wurzeln zu rechnen? Was fördert oder hindert die Durchwurzelbarkeit?
Die inneren Faktoren des Standortes beschreiben die Bodenkennwerte und die hydrologische Situation. Auch hier ist die Frage, ob etwa Wechsel in den physikalischen oder chemischen Eigenschaften, Grundwasserstände, Luftkapazität, Wasserhaltekapazität, etc. die Durchwurzelbarkeit vermindern oder fördern. Die Untersuchungen sollten unbedingt auf Datenerhebungen des Geländeganges basieren. Dies garantiert die Erfassung der konkreten örtlichen Gegebenheiten. Die Entnahme von Mischproben zur Analyse im Labor wäre nicht zielführend, denn sie erfasst nicht die tatsächliche kleinräumige Situation. Besonders diese ist aber relevant, wenn es um die Prognose von Wurzelwachstum geht.
Das Modell ermöglicht angemessene Genauigkeit bei relativ geringem Aufwand
Die komplette Freilegung aller Wurzeln würde höchsten Erkenntnisgewinn erbringen. Sie wird aber den Tod und das Kippen des Baumes bewirken. Außerdem ist diese Vorgehensweise mit sehr hohem Aufwand verbunden. Das Schließen auf die Wurzelentwicklung durch bloße Inaugenscheinnahme der Bodenoberfläche ist leicht durchführbar. Es birgt aber große Unsicherheiten. Es wird deutlich, dass beide Untersuchungsverfahren am stehenden Baum praktisch nicht durchführbar oder von zweifelhaftem Erfolg sind. Die Vorhersage der Wurzelverteilung durch Bewertung der Durchwurzelbarkeit einzelner Kompartimente ist ein praktikables Verfahren, das angemessene Genauigkeit bei relativ geringem Aufwand gewährleistet. Es ist modular durchführbar. So genügt, je nach Zielstellung mitunter die Kenntnis des potenziellen Wurzelraumes der betrachteten Baumart allein, oder im Zusammenhang dem Wissen über die Lage der baulichen Anlagen (beispielswiese bei wenig differenzierten Standorten). Sollen Erkenntnisse dagegen auf einen Bestand oder ein Gebiet mit stärkerer Differenzierung übertragen werden sind weitergehende Untersuchungen zum Standort erforderlich. Die Berücksichtigung der einzelnen Schritte ermöglicht ein strukturiertes Vorgehen. Voraussetzung für die Anwendung ist botanisches und bodenkundliches Grundlagenwissen. Die Angaben sind qualitativ und somit als Hinweise zu verstehen, die der Orientierung dienen.
Die Hinweise sind in neun Schritte unterteilt. Die Anzahl der Schritte ist von der Zielstellung der Untersuchung abhängig, wobei bei Anwendung aller neuen Schritte die höchste Aussagekraft erzielt wird. Zur Entwicklung des Modells der Wurzelverteilung genügt die Bearbeitung der ersten sieben Schritte. Die Schritte Nr. 6 und Nr. 7 bilden eine Iterationsschleife, die prüft, ggf. korrigiert und somit die Aussagedichte erhöht. Die Beachtung des Schrittes Nr. 8 ist im Rahmen erweiterter Erhebungen angezeigt. Er dient der Übertragbarkeit des Modells. Die Äußerungen unter Schritt Nr. 9 skizzieren, wie das Modell für weitere Untersuchungen verwendet werden kann. Die Ergebnisse weiterer Untersuchungen lassen quantitative Aussagen zu. Die Hinweise sollten auch bei der der Auswertung von Schall- oder Radarmessungen berücksichtigt werden.
Hinweise zur Erkundung des Wurzelwerks
Mit Hilfe der vorliegenden Hinweise kann das Wirkgefüge der dargestellten Faktoren kategorisiert, strukturiert und gewertet werden. Sie dienen als Übersicht und Hilfe. Der Anwender soll hierdurch in die Lage versetzt werden einen Baumstandort hinsichtlich der Durchwurzelbarkeit von Kompartimenten zu unterscheiden. Anschließend kann ein Modell der Wurzelverteilung entwickelt werden. Die Listung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Hier soll das Prinzip erläutert werden. Verschiedene Gegebenheiten mögen die Beachtung anderer Faktoren erfordern.
1. Aufzeigen des potenziellen Wurzelraumes. Dazu sollten die Grunddaten des Baumes ermittelt werden (z. B. Baumart, Größe der Kronenschirmfläche, Entwicklungsphase). Diese basieren auf empirischen Daten aus eigenen Beobachtungen und aus Literaturwerten. Das Potenzial zum Wurzelwachstum unterstellt zunächst Bedingungen, die ein weitgehend ungehindertes Wachstum von Wurzeln ermöglichen. Durch Berücksichtigung von Zu- oder Abschlägen wegen dem Alter, der Nässetoleranz oder besonderen Symptomen kann das Ausmaß des potenziellen Wurzelraumradius und der potenziellen Wurzeltiefe abgeleitet werden. Die Schätzung des potenziellen Wurzelraums ist nun möglich und damit ist das Ausmaß des Untersuchungsraumes bei der Geländeaufnahme in erster Näherung festlegbar.
2. Beachtung der Lage und der Art von baulichen Anlagen. Dies sollte durch Einsicht in Planwerke, Austausch mit Ortskundigen (Historie), Berücksichtigung der Ergebnisse von Voruntersuchungen, beispielsweise aus Baugrunduntersuchungen etc. geschehen. Als Grunddaten wären zu eruieren: Art, Aufbau, Fläche und Volumen der baulichen Anlagen, Hauptmaterial, Matrix, Durchlässigkeitsbeiwerte der Materialien, Vorkommnis unterschiedlicher Grenzflächen, Rohrgräben, Dichtegradienten oder Dichtefallen, Möglichkeit der Zu- oder Abfuhr von Stoffen - insbesondere Wasser und Gase (Luft, Leckagen). Es ist derjenige Volumenanteil des Wurzelraumes abschätzbar (Ausmaß, Lage), dessen Durchwurzelbarkeit durch bauliche Anlagen beeinflusst wird oder mit ihnen in Interaktion tritt.
3. Bestimmung der äußeren Faktoren des Standortes. Als Grunddaten können dienen: Relief (Kulmination, Hang, Ebene, Senke), Art der Bodenoberfläche (natürlich, versiegelt) und Art der sonstigen Vegetation (mit/ ohne, Art), soweit vorhanden. Aus diesen Daten ist beispielsweise zu ersehen, ob dem Wurzelraum Wasser zu- oder abfließt, sowie durch Verdunstung, Transpiration oder Versiegelung entgeht. Dieses wirkt sich auf die Wurzelentwicklung aus.
4. Bestimmung der inneren Faktoren des Standortes. Als Grunddaten dienen: Horizonttyp, Bodenart, Kies- und Steingehalt, Humusgehalt, Kalkgehalt, pH-Wert, Lagerungsdichte usw. Sie erlauben eine Einschätzung der Gründigkeit, sowie der Luftkapazität, des Wasserhaushaltes (z. B. nutzbare Feldkapazität, Permeabilität, kapillare Aufstiegsrate, ökologischer Feuchtezustand etc.) und des Nährstoffhaushaltes (z. B. Kationenaustauschkapazität, Basensättigung) des Bodens. Sie sollten nach der allgemein gültigen Kartieranleitung für Böden ermittelt werden (RENGER et al. 1995, 2008, AG BODENKUNDE 2005, Deutscher Normenausschuss z. B. DIN 19682-2, DIN 18915). Kompartimente mit sehr geringer bis geringer Feldkapazität, Luftkapazität, Austauschkapazität, Festes Gestein, hoher Skelettanteil, Verfestigte Bänke oder Kompartimente, Reduktionshorizonte oder -kompartimente, Kompartimente mit abruptem Wechsel der chemischen oder physikalischen Eigenschaften, Ungünstige Gefügeeigenschaften, Verdichtung, Staunässe schränken die Durchwurzelbarkeit ein. Die Geländeaufnahme und die ökologische Bewertung sollte daher vorrangig die Beurteilung dieser Aspekte berücksichtigen.
5. Unterscheidung der Kompartimente durch Bewertung ihrer Durchwurzelbarkeit. Die Ergebnisse aus Anwendung der Schritte 1 bis 4 werden zusammengefasst und graphisch dargestellt. Dies erlaubt die Schätzung der Wurzelverteilung innerhalb des Wurzelraumes. Kompartimenten mit hoher Durchwurzelbarkeit wird eine hohe Durchwurzelungsintensität unterstellt usw.
6. Überprüfung und gegebenenfalls Korrektur der geschätzten Wurzelverteilung. Iterationsschleife. (z. B. Schlitzsondierung, Profilschürf, ggf. Korrelation mit Schall- und Radarmessungen).
7. Entwicklung des Modells der Wurzelverteilung. Darstellung der Lage und Ausprägung der Wurzeln, mit graphischen oder geostatistischen Methoden.
8. Übertragung des Modells auf den gesamten Wurzelbereich, einen Bestand oder ein Erhebungsgebiet. Dazu kann der Vergleich mit Stichproben der Kennwerte weiterer Bäume/ Standorte/ Gegebenheiten notwendig sein.
9. Verwendung des Modells für weitere Fragestellungen
(Berechnung der potenziell verfügbaren Wasser- und Nährelementmenge, differenzierte Ermittlung der Standsicherheit durch Ausweisung der Hauptwurzelstrecken, Prognose der Entwicklungsmöglichkeiten der Wurzeln, gezielte Benennung von Maßnahmen zur Verbesserung der Standortsituation, Bewertung des Konfliktpotenzials bei Bauvorhaben, Bewertung des Grades der Interaktion von Wurzeln mit baulichen Anlagen, etc.).
Literatur
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RENGER ET AL. (1995). Anleitung zur Beschreibung, Deutung und ökologischen Bewertung von Böden. (unveröff.).
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Autor
Roger Arzt, Diplom Geologe, Kurpromenade 28, 14089 Berlin, roger@roger-arzt.de, www.roger-arzt.de, 030-6981 52 94. Von der IHK ö. b. u. v. Sachverständiger für die Verkehrssicherheit von Bäumen, Baumpflege und Baumwertermittlung, Dozent beim Kommunalen Bildungswerk. e.V.
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